Leben auf der Baustelle – warum Resilienz auch Muskelkater machen darf
Wir denken oft an unfertige Räume, an Umwege, Staub und Lärm, allerdings sind Baustellen auch Orte der Veränderung. Orte, an denen Neues entsteht, wo Altes abgetragen wird, wo wir uns die Finger schmutzig machen, um etwas Eigenes zu schaffen. Für mich war die letzte Zeit genau das: eine Baustelle im Außen – und auch eine im Innen.
Eigentlich war schon unsere Website eine lange Baustelle – trotzdem gönnten wir uns den Luxus, auch zuhause umzubauen: Aus dem Sportraum, liebevoll Mukki-Bude genannt, sollte ein Beratungsraum werden. Ein bisher kaum genutzter Raum wurde zur Gesundheitsvorsorgezone erklärt.
Unser Öko-Check beim Ziel „Räume neu“ erwies sich als unzureichend. Was als kleines Projekt begann, wuchs schnell: ein Wasserschaden im Haus, ein neues Auto, beruflich eine herausfordernde Phase – alles gleichzeitig. Bald war klar: Prioritäten mussten her. Alles, was zusätzlich für die Selbstständigkeit zu tun war, musste warten. Schade, aber notwendig.
Vor allem die Arbeit war emotional intensiv, und ich war zeitweise wirklich überfordert. Auch hier konnte – mit viel Unsicherheit – nur Schritt für Schritt abgearbeitet werden. Überstunden und schlaflose Nächte saugten zusätzlich an meinem Akku. „Werden wir jemals fertig? Wird 2025 das Jahr der ewigen Baustellen?“
Ständig hatte ich Werkzeug in der Hand, Staub und Farbe auf der Haut. Ich hatte nicht gedacht, dass ich nach den wirklich anstrengenden Arbeitstagen noch Energie haben würde – aber sie war da.
Je fordernder die Arbeit mit den Jugendlichen wurde, desto mehr freute ich mich aufs Verspachteln und Putzen. Ich merkte, wie ich mich bewusst dafür entschied, mir meine Gefühle nicht vom Außen dauerhaft bestimmen zu lassen. Natürlich war da manchmal Wut oder Traurigkeit, und es war wichtig, sie zuzulassen. Aber meine Grundstimmung – dass ich meinen Job liebe, dass mir Jugendarbeit Freude macht und dass ich Dinge lieber mit Leichtigkeit angehe, auch wenn ich sie ernst nehme – die wollte ich mir nicht nehmen lassen.
Und da veränderte sich etwas. Während ich abends körperlich arbeitete, sortierte sich auch im Inneren etwas. Mit jeder neuen Kelle Verputz, mit jedem Pinselstrich, mit jeder Bewegung konnte ich Emotionen aus dem Job verarbeiten, Gedanken sortieren, Luft holen.
Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, ein Projekt nur für sich selbst zu haben. Etwas, das einfach meins ist. Ich kann viele Dinge selbstwirksam erreichen, mich selbst regulieren und Ziele verfolgen. Fazit: Die Baustelle hat mir meine Resilienz neu gezeigt.
Diese Zeit war – so anstrengend sie auch war – heilsam.
Selbstfürsorge kann auch schleppen, spachteln, verputzen und malen heißen.
Und wenn innen viel los ist, kann es auch helfen, außen etwas zu bewegen.
Foto: Eigenproduktion, unser Beratungsraum




